
Die Stiftung Ferien im Baudenkmal besteht seit 20 Jahren und ist eine Erfolgsgeschichte. Welche Philosophie steckt dahinter? Welchen Ansprüchen will man gerecht werden? Hat Erfolg auch seine Tücken? Wohin führt der Weg? Eine Erkundungsfahrt mit der Geschäftsleiterin Christine Matthey und dem Stiftungspräsidenten Beat Schwabe.
Text: Marco Guetg
Bild: Marion Nitsch
Wir sehen Sie im Haus Tannen in Morschach (SZ), einem Holzbau von 1341. Weshalb haben Sie für das Fotoshooting dieses Objekt ausgewählt?
Beat Schwabe: Weil es für die Arbeit unserer Stiftung ein signifikantes Gebäude ist: ein ortstypisches Bauernhaus, das von den Besitzern nicht mehr bewohnt wurde. Es drohte zu verfallen und wurde von uns als Ferienhaus wiederbelebt.
Christine Matthey: Erinnern Sie sich noch an die Polemik im Kanton Schwyz rund um die spätmittelalterlichen Holzhäuser, für die sich der Heimatschutz eingesetzt hat? In Morschach konnten wir mit dem Haus Tannen ein solches altes Holzhaus retten. Es hat somit einen symbolischen Charakter. Auch repräsentiert es beispielhaft die gute Zusammenarbeit von Schweizer Heimatschutz und der Stiftung.
«Wobei durchaus auch ein Gebäude aus den 1970er-Jahren historisch relevant sein kann.»
Wie würden Sie die Philosophie Ihrer Stiftung definieren?
BS: Wir bewahren historische Häuser, die in schlechtem Zustand sind oder nicht mehr genutzt werden – wobei durchaus auch ein Gebäude aus den 1970er-Jahren historisch relevant sein kann. Das Ziel besteht darin, diese Objekte mit bestmöglicher Erhaltung ihrer Bausubstanz als Ferienwohnung oder Ferienhaus einer nachhaltigen Nutzung zuzuführen.
CM: Baudenkmäler sind wichtige Bestandteile intakter Ortsbilder und Kulturlandschaften. Sie vermitteln Geschichte und verorten, indem sie Regionen ihren unverwechselbaren Charakter verleihen. Wir erachten es als sinnvoll, diese Zeugnisse der Schweizer Baukultur zu erhalten und ihre Geschichte erlebbar zu machen.
Erhalt durch Nutzung hat auch einen wirtschaftlichen Aspekt, stehen die Objekte doch häufig in der Peripherie.
BS: Unsere Gäste kaufen ein im kleinen Dorfladen oder bei Bauernfamilien. Das bringt Wertschöpfung. Häufig arbeiten wir auch mit lokalen Gruppierungen, Initiativen oder Stiftungen zusammen mit dem Ziel, ein Dorf wieder zu beleben. Dies hat uns zur Partnerschaft mit der Schweizer Berghilfe geführt. Unsere Handwerkerinnen und Handwerker und die Hausbetreuenden sind wenn immer möglich Einheimische. Gelegentlich betreuen Nachkommen das Haus, empfangen die Gäste, erzählen die Geschichte des Hauses und der Familie – ein authentischerer Zugang zu den Objekten ist kaum möglich.

Wie viele Objekte betreut die Stiftung?
CM: 60, 12 davon sind stiftungseigene Objekte. Von diesen gehören 6 der Stiftung, und die restlichen wurden uns im Baurecht zur Verfügung gestellt. Das sind oft Häuser, die den Eigentümern am Herzen liegen und die sie nicht verkaufen wollen. Aber es fehlt das Geld für die Sanierung. Über die Stiftung können sie dem Gebäude eine Zukunft geben, ohne es ganz aufgeben zu müssen. Die anderen 48 Objekte gehören Privatpersonen oder Institutionen, die die gleichen Ziele wie die Stiftung für ihr Baudenkmal verfolgen und ihr Gebäude über unsere Plattform vermieten.
Wir reden von umgenutzten Wohnhäusern. Wie steht es mit der Umnutzung von Ställen und Fabriken?
CM: Ursprünglich war das durchaus ein Thema, doch dann haben wir gemerkt: Wenn wir Häuser aufwerten wollen, müssen wir es dort tun, wo gelebt wurde. Seither fokussieren wir uns auf Wohnhäuser.
«… es melden sich auch Besitzer, weil sie nicht wissen, was sie mit ihrem oft geerbten Haus machen sollen, und es für die Zukunft retten wollen.»
Wie kommen die Häuser zur Stiftung?
BS: Es melden sich Architekten, die kantonale Denkmalpflege macht uns auf ein Objekt aufmerksam, oder wir erhalten über eine Sektion des Heimatschutzes Kenntnis von einem gefährdeten Objekt …
CM: … es melden sich auch Besitzer, weil sie nicht wissen, was sie mit ihrem oft geerbten Haus machen sollen, und es für die Zukunft retten wollen. Wenn das Objekt unseren Kriterien entspricht und wir es finanziell stemmen können, kann das zu einer Schenkung, zu einer Nutzniessung oder zu einem Baurechtsvertrag führen oder zu einer Zusammenarbeit für die Vermietung. In diesem Fall übernehmen wir aber keine Kosten für die Restaurierung, weil wir nicht wissen können, wie lange uns die angebotene Liegenschaft zur Verfügung stehen wird. Wir beraten und begleiten aber die Besitzer bei der Sanierung.
Ein Objekt steht zur Diskussion. Wie gehen Sie konkret vor?
BS: Die Architektin in der Geschäftsstelle analysiert das Objekt anhand unserer Anforderungen. Kommt es in Frage, legt sie es dem Bauausschuss vor. Der Bauausschuss beratet den Stiftungsrat und dieser entscheidet.
Spricht der Bauausschuss auch beim Umbau mit?
CM: Für die Objekte, die wir selbst renovieren, suchen wir in einem ersten Schritt mit Architekten nach der besten Lösung. Dabei arbeiten wir stets mit lokalen Architekten zusammen. Danach wir das Projekt mit dem Bauausschuss diskutiert und vom Stiftungsrat abgesegnet.
Führen Sie auch Wettbewerbe durch?
BS: Je nach Situation. Bei der Kaplanei in Ernen (VS) zum Beispiel haben wir Architekten zu einem Wettbewerb eingeladen. Für andere Objekte haben wir auch Studien-, in seltenen Fällen Direktaufträge erteilt.

Die Stiftung wurde 2005 gegründet. Hat sich in den vergangenen 20 Jahren die Doktrin geändert?
BS: Die ursprüngliche Doktrin sah vor, eigene Objekte umzubauen und langfristig als Ferienwohnungen zu erhalten. Bald jedoch kamen Drittobjekte dazu. Wir haben realisiert, dass das Fundraising und die Restaurierung verhältnismässig viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch mussten wir erkennen, mit zu Beginn nur drei Objekten den Vermietermarkt bespielen zu wollen, war schlicht unmöglich.
CM: Diese Öffnung macht uns bekannter und unser Angebot diverser. Wir können unseren Gästen ein vielfältigeres Angebot unterbreiten und sie so für unterschiedliche Architektur sensibilisieren.
Woher stammen die Mittel für den Kauf und die Restaurierung der Häuser?
BS: Die Stiftung startete 2005 mit einem Kapital von 100 000 Franken, gespendet vom Schweizer Heimatschutz aus Anlass seines 100-Jahr-Jubiläums. Heute setzen wir für die Objektfinanzierung auf Beiträge uns nahestehender Stiftungen, Mäzene, Partner wie die Berghilfe und immer wieder auch Gönner mit kleineren Beträgen…
CM: … darunter befinden sich oft auch unsere Gäste. Sie haben in der Regel einen besonderen Zugang zu den Objekten und möchten unsere Arbeit noch mehr unterstützen. Wir wissen das sehr zu schätzen.
«Für grössere Restaurierungsarbeiten, wie zum Beispiel ein Dach, sind wir aber auf Fundraising hingewiesen.»
Womit finanzieren Sie den Unterhalt?
BS: Alte Häuser sind im Unterhalt aufwendig. Der tägliche Unterhalt wird dank der Vermietung finanziert. Bei sehr guten Auslastungen und erfolgreichen Spendenjahren können wir auch die Erneuerungsfonds der Häuser besser äufnen. Für grössere Restaurierungsarbeiten, wie zum Beispiel ein Dach, sind wir aber auf Fundraising hingewiesen. Um den Unterhalt zu sichern, müssen wir stets die Liquidität im Auge behalten.
Wie hoch ist der Verkehrswert Ihrer Häuser?
CM: Ich kann keine exakte Zahl nennen, weil der Wert eines Objektes vom Zustand und Standort abhängt oder vom Material. Wie wollen Sie für 400 Jahre altes Holz einen Preis festlegen? Unsere Häuser haben einen ideellen Wert. Wir sanieren sie nach dem Prinzip «best practice», d.h. bemüht um historische Authentizität, suchen wir jeweils nach der bestmöglichen Lösung. Wir unterstützten lokales Knowhow, berücksichtigen alte Techniken, die zu verschwinden drohen… zugegeben: das ist nicht billig.
Ferien im Baudenkmal ist ein Erfolgsmodell. Gibt es auch eine kritische Grösse?
CM: Die letzten Jahre liefen gut. Während der Pandemie stieg die Beliebtheit unserer Baudenkmäler. Und auch die touristischen Prognosen sprechen für unser Konzept. Die Menschen suchen mehr sinnstiftende Ferien, bevorzugen Ferien im eigenen Land, haben ein ausgeprägteres Bedürfnis nach Kultur, Natur und Authentizität. Kurzum: Wir sehen Potenzial für mehr Wachstum – dieses muss aber gesteuert sein.
Wie sieht die Gästestruktur aus? Mieten viele Heimatschutzmitglieder Ihre Objekte?
CM: Dazu führen wir keine Statistik. Wir wissen aber, dass viele Gäste Mitglieder sind oder ideell den Werten des Heimatschutzes nahestehen. Die Bandbreite unserer Gäste ist sehr gross. Es sind vor allem kulturaffine Paare und Familien aus dem urbanen Umfeld.
BS: Während Corona hat sich das Gästespektrum verbreitert. Leute, die vorher wenig oder keinen Bezug zu den ideellen Werten der Stiftung hatten, entdeckten unser Angebot – und sie sind uns treu geblieben.
An wen richtet sich Ferien im Baudenkmal?
BS: Unser Ziel ist es, «Ferien im Baudenkmal» für alle zu ermöglichen. Unsere Aufgabe ist die Erhaltung und Vermittlung von Baukultur, die wir möglichst vielen Menschen zugänglich machen wollen. Die Häuser sind alle komfortabel ausgestattet und obwohl sie zum Teil mehrere hundert Jahre alt sind, muss man darin nicht wie anno dazumal leben.
CM: Bei der Sanierung schauen wir stets, was möglich ist. Dort, wo Komfort eingebaut werden kann ohne die Substanz des Hauses zu verletzten, machen wir es. Wo der Eingriff zu gross wäre, suchen wir nach Alternativen. So bieten wir auch Häuser an, die nur mit Holz beheizt werden. Moderne Küchen- und Sanitäreinrichtungen hat es aber standardmässig in jedem Objekt.
«Pro Person und Nacht zahlt man etwa so viel wie in einer Jugendherberge.»
Steigt die Nachfrage, steigen auch die Preise. Läuft man da nicht Gefahr, plötzlich als elitär dazustehen?
CM: Elitär wollen wir auf keinen Fall sein – aber es ist eine Gratwanderung! Wir müssen so viele Einnahmen generieren, damit wir die Qualität der Häuser sichern können, sonst werden wir unserem eigenen Anspruch nicht gerecht. Unsere Häuser sollten mit Respekt behandelt werden. Daher bewegen wir uns in einem bestimmten Segment. Unsere Preise sind dennoch fair. Pro Person und Nacht zahlt man etwa so viel wie in einer Jugendherberge.
Klickt man sich auf der Website von Ferien im Baudenkmal durch die Bilder, fällt etwas auf: Es sind schöne Räume.
CM: Es kommt darauf an, was Sie unter «schön» verstehen. Jedes Objekt ist individuell. Sie finden auch rustikale Objekte mit verrussten Decken. Was ich hingegen unterschreiben würde: Wir pflegen die Geschichte und werten die Räume dadurch auf. Wir erhalten das Alte, das Authentisch und bauen Modernes sichtbar als solches ein. Wo keine Küche oder Bad vorhanden ist, ergänzen wir das Fehlende mit zeitgemässen Materialien, achten aber darauf, dass das alles lesbar und reversibel ist.
Wie steht es mit der Nachhaltigkeit?
CM: Dieses Thema ist in den letzten Jahren stark in den Vordergrund getreten, auch wenn unsere Arbeit, die Erhaltung bestehender Bausubstanz, per se einen hohen Nachhaltigkeitswert hat. Im Vergleich zu den Anfängen wird heute hingegen bewusster überlegt, welche Elemente neu eingebaut werden sollten. Vermindert es den Wert des Hauses, kann es in die Geschichte des Hauses einbezogen werden? Eine Rolle spielt auch der Aspekt der Vermietbarkeit. Da die eigenen Objekte von uns meistens leer übernommen werden und wir dadurch schon bei der Planung Spielraum für nachhaltige Fragen haben, finden diese Diskussionen eher bei Objekten von Drittanbietern statt, deren Häuser vor Jahrzehnten restauriert wurden.
Weil deren Angebot ästhetisch nicht Ihren Vorstellungen entspricht?
CM: Es geht nicht nur um die Ästhetik. Wir haben 20 Jahre Erfahrung mit der Restaurierung historischer Häuser und kennen auch die Ansprüche unserer Gäste. Für eine breite Nutzung unseres Angebots müssen wir ein paar elementare Sachen berücksichtigen, die aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken sind, wie z.B. ein Elektroherd statt eines Holzherdes oder einer Toilette statt eines Plumpsklos.
Was auffällt: die Inneneinrichtung ist erlesen. Meist sind die Räume mit Designermöbeln bestückt. Ist das ein Statement?
CM: Gute Qualität hört nicht bei der Architektur auf. Der Fokus liegt zwar immer auf der Architektur. Mit der schlichten, qualitativ hochwertigen Möblierung kommt diese aber noch mehr zur Geltung. Dieses Statement schaffen wir mit Designerstücken und wenn möglich in Kombination mit historischen Einzelstücken, die in den Häusern aufgefunden wurden und die wir restaurieren. Damit vermitteln wir auch ein bisschen Designgeschichte.
Die Stiftung Ferien im Baudenkmal ist ein Kind des Heimatschutzes. Wie weit fühlt sie sich ihm heute noch verpflichtet?
BS: Wir sind eine selbstständige Organisation, aber nach wie vor mit dem Heimatschutz verbunden, der die Stiftung vor 20 Jahren gegründet hat. Wir haben mit ihm eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Wir werden vom Schweizer Heimatschutz finanziell unterstützt, und wir arbeiten miteinander an der Vermittlung unserer gemeinsamen Werte.
CM: Wir setzen um, wofür der Heimatschutz sich einsetzt. Durch unsere nationale Tätigkeit und den Austausch mit regionalen Akteuren tragen wir diese Werte in die entlegensten Regionen der Schweiz.
Wie begegnet man Ihnen in den Dörfern? Einige sind auch skeptisch gegenüber dem Heimatschutz…
CM: Wenn die Menschen vor Ort unsere Objekte sehen und sich vorstellen, dass ihr Haus sich auch mal so präsentieren könnte, öffnen sich Türen. Wir werden in diesem Sinne oft herzlicher empfangen als die Denkmalpflege oder der Heimatschutz. Das Umdenken, das durch die Zusammenarbeit mit unserer Stiftung stattfindet, kommt schliesslich allen zugute.

Die Geschäftsstelle ist ein kleines Team, wie schaffen Sie das?
CM: Wir sind tatsächlich eine kleine Stiftung, mit nur 3½ Vollzeitstellen für die Begleitung von 60 Objekten, die Organisation der Aufenthalte, die Geldbeschaffung, die Baubegleitung, die Kommunikation … Wir sind personell sehr knapp bemessen. Das Hausbetreuungspersonal vor Ort ist eine grosse Stütze.
BS: Ohne das Herzblut und Engagement der Mitarbeiterinnen und auch der Hausbetreuung wären die Aktivitäten der Stiftung schlicht unmöglich. Wir haben ein gutes Angebot und ein treues Publikum. Wir wollen so weiterfahren, dürfen aber nicht zu schnell wachsen, sonst überschreiten wir personell das Limit.
Wo gibt es noch Wachstumspotenzial?
BS: In der Romandie und in der Nordwestschweiz. Aber es geht nicht nur um die geografische Breite. Wir möchten auch mit unterschiedlichen Stilen aus unterschiedlichen Epochen vertreten sein. Hier hat es noch Potenzial.
CM: Wir würden gerne noch viel mehr Häuser retten und zugänglich machen. Es ist eine ständige Herausforderung, da Denkmalpflege eine Herzensangelegenheit ist. Wäre Denkmalpflege rentabel, wären wir keine Stiftung, sondern ein Startup.
Sie erhalten gelegentlich Anfragen für Objekte, die dann nicht übernommen werden können. Was geschieht damit?
BS: Grundsätzlich versuchen wir für jedes Objekt eine passende Lösung zu finden. Ferien sind allerdings nicht in jedem Objekt denkbar – wenn etwa ein sehr schönes historisches Haus direkt zwischen Hauptstrasse und Eisenbahnlinie liegt. Jede Anfrage wird indessen individuell geprüft, und dank unserem nationalen Netzwerk findet sich oft ein Weg, das Objekt einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Eine Lösung kann die Vermittlungsplattform für Baudenkmäler marchepatrimoine.ch sein. Dort werden solche Objekte durch uns gemeinsam mit dem Schweizer Heimatschutz vermittelt.