Grosstmögliche Erhaltung von historischer Bausubstanz, zeitgemässer Wohnkomfort und Schonung natürlicher Ressourcen. All dies versucht Ferien im Baudenkmal bei seinem Angebot unter einen Hut zu bringen.
Severin Lenel, Präsident Stiftung Ferien im Baudenkmal, St. Gallen
Aus der Erkenntnis, dass gefährdete Bausubstanz nur dann eine Zukunft hat, wenn dafür eine angemessene, langfristige Nutzung gefunden werden kann, und aus dem negativen Image des Heimatschutzes als «Verhinderer» resultierte die Idee von Ferien im Baudenkmal. Damit lassen sich verschiedene Anliegen in idealer Weise verbinden: Mit der Umnutzung zu Ferienwohnungen können historisch wertvolle Bauten erhalten, bei den Feriengästen und in der Öffentlichkeit ein positives Image erzielt und der beispielhafte Umgang mit «altem Ghütt» aufgezeigt werden. Anders als etwa der englische Landmark Trust, welcher bei seiner Gründung mit erheblichen Mitteln ausgestattet wurde, musste Ferien im Baudenkmal bescheiden starten. Der Schweizer Heimatschutz stellte neben der Geschäftsführerin und den Räumlichkeiten eine kleine Startfinanzierung zur Verfügung. Gemäss Businessplan hätte das eigentlich locker reichen müssen – immerhin ging man davon aus, dass innert zehn Jahren 100 eigene Ferienwohnungen im Angebot sind.
Ergänzung des Angebots durch Fremdobjekte
Nach kurzer Zeit konnte das seit Jahrzehnten leer stehende Huberhaus in Bellwald übernommen und innert dreier Jahre die Mittelsuche und Renovation abgeschlossen werden. Damit zeigte sich aber auch, dass Ferien im Baudenkmal mit eigenen Objekten unmöglich in kurzer Frist ein relevantes Angebot aufbauen kann. Deshalb wurde bereits kurz nach der Stiftungsgründung die Aufnahme von Fremdobjekten beschlossen. Bei der Auswahl der Objekte stehen die akute Gefährdung, der kulturhistorische Wert, die Eignung als Ferienwohnung, die zu erwartenden Kosten, die Attraktivität des Umfelds und der Region sowie der Support in der lokalen Bevölkerung im Vordergrund. Die Bewertung der Objekte erfolgt anhand eines entsprechenden Rasters. Auch werden Aspekte des Gesamtangebots wie etwa regionale Abdeckung, Gebäudeart und -konstruktion etc. betrachtet. So fehlt uns beispielsweise trotz erheblichen Anstrengungen nach wie vor ein Angebot in der Romandie. Zum Glück werden uns laufend neue interessante Objekte zugetragen.
Nach Übernahme der Liegenschaft wird ein Studienauftrag unter mehreren Architekten veranstaltet und in einem kleinen Entscheidungsgremium, in dem nach Möglichkeit auch die Denkmalpflege vertreten ist, eine Auswahl getroffen. Im Spannungsfeld der grösstmöglichen Erhaltung von historischer Bausubstanz, der Gewährleistung eines zeitgemässen Wohnkomforts und der Schonung natürlicher Ressourcen fällt der Entscheid oft nicht leicht. Meist wird dasjenige Projekt gewählt, das mit den kleinsten Eingriffen und damit der grösstmöglichen Schonung der Bausubstanz das geforderte Raumprogramm umzusetzen vermag. Im Fall der Stüssihofstatt wählten wir dasjenige Projekt, welches die in den letzten Jahrzehnten hinzugekommenen Einbauten entfernte und damit den zentralen, russgeschwärzten Raum wieder freiräumte.
Mit unseren Wohnungen streben wir ein gutes Komfortniveau, aber keinen Luxus an. So gibt es in allen Wohnungen ein Badezimmer sowie eine zeitgemässe Küche und in den meisten Wohnungen sogar eine Geschirrspülmaschine. TV-Apparate wird man aber nicht finden, und ich denke, dass die Authentizität des historischen Umfelds diesen «Makel» ohne Weiteres wettmacht. Bisher führte der Komfortanspruch nicht zu nennenswerten Konflikten mit dem Prinzip der maximalen Erhaltung der Bausubstanz. Beispielsweise konnten wir bei der Casa Döbeli in Russo durch die Anordnung des Bads in einem Abstellraum im Sockelgeschoss auf aufwendige Baumassnahmen verzichten.
Theorie und Praxis im Konflikt
Auch in der weiteren Projektierung werden die Grundsätze der Instandstellung statt des Ersatzes, der Reversibilität der Eingriffe und die Verwendung originaler Materialien und Verarbeitungstechniken beachtet. Zudem versuchen wir, einen möglichst ökologischen Betrieb zu gewährleisten, indem wo möglich Dämmungen eingebaut (oder auf den Winterbetrieb verzichtet) und Heizsysteme, welche auf erneuerbaren Energieträgern basieren, verwendet werden. Was in der Theorie logisch und einfach klingen mag, ist in der Praxis immer wieder eine Herausforderung. Beispielsweise haben wir uns durchgerungen, den Verputz im Treppenhaus des Türalihus aufwendig zu restaurieren, was deutlich mehr kostete und länger dauerte als ein neuer Verputz. Am Tag der Einweihung fragte mich dann ein Besucher, warum wir das Treppenhaus nicht renoviert hätten.
Unterschätzt haben wir in der Vergangenheit den Aufwand für eine professionelle Steuerung der Bauvorhaben und die dafür notwendige Fachkenntnis. Zum Glück konnten wir kompetente Fachleute gewinnen, die für uns die Bauherrenvertretung wahrnehmen. Dank ihnen konnten wir bisher alle Vorhaben trotz manchmal sehr schwierigen Voraussetzungen zu einem bezüglich Qualität, Kosten und Termin guten Ergebnis führen. Beim Türalihus konnte ich meinen ehemaligen Berufsschullehrer Hansruedi Reimann für diese Aufgabe gewinnen, und seine Unterstützung war von unschätzbarem Wert.
Ebenfalls aufwendiger als ursprünglich veranschlagt gestaltet sich das Sammeln der erforderlichen Mittel. Bei einem kleinen Objekt ist das Ziel mit einigen grosszügigen Spenden von Stiftungen, Privatpersonen oder Beiträgen der Denkmalpflege innert weniger Jahre erreichbar. Bei grösseren Objekten müssen viel mehr Spender gefunden werden, weil, entgegen der anfänglichen Annahme, ganz grosse Beträge kaum zu erwarten sind. So mussten wir nach über fünf Jahren enormer Anstrengungen zur Finanzierung der Türalihus-Renovation einsehen, dass der Restbetrag nur mit einer Hypothek beigebracht werden konnte. Im Grundsatz versuchen wir nämlich, ohne Fremdmittel auszukommen.
Damit ist es möglich, mit den Einnahmen aus der Vermietung nicht nur die Betriebs-, Administrations- und Erhaltungskosten zu decken, sondern auch Gelder für neue Objekte beiseitezulegen. Grosses Gewicht kommt auch der Möblierung zu. Sie soll entweder aus der Zeit des Gebäudes stammen oder schlichtes, zeitgemässes Handwerk verkörpern. Durch die Zusammenarbeit mit Innenarchitekten, lokalen Handwerkern sowie Schweizer Möbel- und Leuchtenherstellern konnten wir bisher fast immer gute Lösungen finden, welche im manchmal rauen Alltag bestehen können.
Positive Rückmeldungen der Gäste
Bei Fremdobjekten können natürlich nicht gleich hohe Ansprüche wie bei den eigenen Häusern gestellt werden, da sie in der Regel bereits fertig renoviert und ausgestattet sind. Die Unterschiede betreffen die Architektur, das Komfortniveau und die Möblierung. Gerade diese Differenzen zusammen mit den Rückmeldungen unserer Gäste erlauben aber, die Anforderungen an die eigenen Objekte dem Bedarf anzupassen. Ferien im Baudenkmal konnte sich trotz einem etwas schwierigen Start sehr gut positionieren. Ich denke, dass sich Nachfrage und Angebot – obwohl es sich um ein Nischenprodukt handelt – weiterhin dynamisch entwickeln werden. All dies war nur dank unseren grosszügigen Spendern (allen voran dem Schweizer Heimatschutz), den treuen Gästen (das sind fast alle!), unseren Stiftungsräten und unseren engagierten Mitarbeiterinnen möglich. Ihnen gebührt mein allerherzlichster Dank.