
Die Ferienhäuser der Stiftung Ferien im Baudenkmal bringen nachhaltige Veränderung in die Regionen, so zum Beispiel im Berner Jura, in der Surselva und im Maggiatal.
Jenny Keller
Als Gastgeschenk stehen ein Zopf, ein Glas Honig und eine Flasche Souboziane auf dem Esstisch der Maison Heidi. Das Haus gehört heute der Stiftung Ferien im Baudenkmal und ist benannt nach seiner letzten Besitzerin. Es befindet sich am Dorfeingang von Souboz, eines von sieben kleinen Dörfern der Gemeinde Petit-Val im bernischen Jura.
«Die Touristen bereichern das Dorf. Sie kommen nicht mit Taschen, gefüllt von der Migros, sondern wollen hier lokale Produkte kaufen.»
Das malerische Strassendorf ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) gelistet. Mit seinen sieben Brunnen aus Stein ist es in eine Umgebung mit Hügeln und Wiesen, einem Mischwald und reicher Flora und Fauna eingebettet. Die Gäste, die in der Maison Heidi unterkommen, stören die Bilderbuchidylle nicht. Im Gegenteil sind sie gerne gesehen. «Die Touristen bereichern das Dorf. Sie kommen nicht mit Taschen, gefüllt von der Migros, sondern wollen hier lokale Produkte kaufen», erklärt Willy Pasche, der Gemeindepräsident von Petit-Val. «Wir hoffen, wir enttäuschen sie nicht, denn viel ist hier nicht los», meint er beinahe entschuldigend. Auch deshalb hat Irène Liechti, zuständig für den Tourismus in Petit-Val und ebenfalls Bewohnerin von Souboz, mit fünf anderen Frauen aus dem Dorf «Le Choc» eröffnet. Der Dorfladen befindet sich in einem denkmalgeschützten Kornspeicher auf der südlichen Seite der Strasse. Mittlerweile trifft sich am Sonntag das ganze Dorf dort, um Croissants oder Getränke aus der Destillerie vis-à-vis zu kaufen, wo drei Brüder auf dem ehemaligen Hof der Familie Gin, Wodka oder eben die Souboziane, einen Aperitif aus der Enzianwurzel, destillieren.
Die Eröffnung von «Le Choc» bedeutete für die Dorfgemeinschaft einen nachhaltigen Aufschwung, berichtet Irène Liechti. Für Willy Pasche ist aber auch die Art und Weise der Umbauarbeiten an der Maison Heidi vorbildlich, weil die Einheimischen und Hausbesitzer sehen, dass der Eintrag ins ISOS keine Einschränkung bedeutet, wenn man umbaut. Der Umbau war eine Chance, sich regional zu vernetzen und voneinander zu lernen.

Mittlerweile sind 60 Objekte im Portfolio der Stiftung Ferien im Baudenkmal, davon 12 in deren Besitz. Die anderen gehören Institutionen oder Privatpersonen, die die Möglichkeit haben, ihr Baudenkmal über die Stiftung zu vermieten, um einen Beitrag an dessen Erhalt zu leisten. Das Wachstum ist kontinuierlich und gesteuert, dabei kommen neue Bauten dazu, die vorab einem hauseigenen Qualitätstest unterzogen werden: «Nicht jedes historische Gebäude eignet sich als Ferienhaus. Es muss genügend Originalsubstanz vorhanden sein, und nur Gebäude, die schon immer der Wohnnutzung dienten, werden aufgenommen. Das Haus gibt uns das Raumprogramm vor», erklärt Claudia Thommen, die Hausarchitektin der Stiftung, den Suffizienzgedanken hinter den Umbauprojekten. Diese subtile Haltung den alten Gemäuern gegenüber spürt man den Orten an.
Ferien im Baudenkmal bewegt sich an der Schnittstelle von Tourismus und Denkmalpflege und belebt nicht selten von Abwanderung bedrohte Dörfer in abgelegenen Regionen.
Erfolgsgeschichte Valendas
Ferien im Baudenkmal bewegt sich an der Schnittstelle von Tourismus und Denkmalpflege und belebt nicht selten von Abwanderung bedrohte Dörfer in abgelegenen Regionen. Valendas in der Surselva ist dabei das Paradebeispiel. Man kann sagen, mit der Valendaser Dorferneuerung fing 2004 alles an. Doch davor hatte das Dorf in der Surselva einen Auf- und dann einen Abschwung erlebt, der mit Durchgangsverkehr verbunden war: Am grossen Platz mit dem Holzbrunnen etablierten sich verschiedene Wirtschaften, die schon bald nach der Eröffnung der Bahnlinie Reichenau–Ilanz 1903 wieder leer standen. Der Tourismus fand in Flims und Laax statt, nach Valendas verirrten sich nur wenige. Das Plus: ein intaktes Dorfbild. Das Minus: stagnierende Entwicklung, Abwanderung, Immobilienleerstand.

Zusammen mit dem Bündner Heimatschutz und der kantonalen Denkmalpflege initiierte der Verein Valendas Impuls eine Machbarkeitsstudie zum Entwicklungspotenzial dreier verlassener historischer Bauten am Dorfplatz mit seinem Holzbrunnen. Darauf konnte das verwahrloste Türalihus von der Stiftung Ferien im Baudenkmal als eines der ersten Objekte übernommen werden. Das barocke Bürgerhaus mit dem namensgebenden Treppenturm stand 60 Jahre lang leer, es galt bei den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern als Schandfleck. «Es hatte eine Signalwirkung, als das Türalihus als erstes Haus eingerüstet war!», erinnert sich Ludmila Seifert, Geschäftsführerin des Bündner Heimatschutzes.
«Es hatte eine Signalwirkung, als das Türalihus als erstes Haus eingerüstet war!»
Mit dem sanften Umbau des Türalihus durch Capaul & Blumenthal Architekten in zwei Ferienwohnungen, wurde der Aufschwung des einst in Lethargie verfallenen Dorfes sichtbar. Seither wurde Valendas in zahlreichen Beiträgen im nationalen Fernsehen, in Architekturzeitschriften oder in der lokalen Presse als Erfolgsgeschichte gepriesen.
Das Gasthaus am Brunnen mit seiner ambitionierten Küche und der Architektur von Gion A. Caminada folgte, und mit dem Burggarta am Dorfrand baute Valendas Impuls mit demselben Architekten Wohnungen für Familien, Heimkehrerinnen und Zuzüger, die die Dorfgemeinschaft nachhaltig beleben sollten. Der «Slow Tourism», den die Wohnungen im Baudenkmal anziehen, brachte eine grosse Wertschöpfungskette ins Dorf, lokale Hausbewirtschafterinnen verdienen ein Zubrot, sie bleiben dem Dorf erhalten.
Nachhaltig umbauen
Die in Mitleidenschaft gezogene Bausubstanz des Türalihus wurde weder rekonstruiert noch beschönigt. Vielmehr sind die Spuren der Reparatur sichtbar geblieben, Flicken und Fragmente erzählen von der Geschichte des Hauses. Für Ludmila Seifert scheinen die Valendaser ein ambivalentes Verhältnis zum Türalihus zu haben. Einerseits sind sie stolz auf die Erfolgsgeschichte, andererseits werde das Imperfekte als Armutszeugnis und die Patina nicht zwingend als charmant verstanden.
«Es geht darum, etwas brauchbar zu machen und in Wert zu setzen, das in der Dauermiete nicht mehr funktionierte.»
Kann diese architektonische Haltung auch kontraproduktiv für die Integration der Ferienhäuser im Dorf wirken? Vielleicht gar schon elitär? Erfüllt sie die Vorstellungen einer urbanen, gebildeten Klientel? In Souboz, erzählen Pasche und Liechti, sei der Umbau der Maison Heidi äusserst lehrreich für sie gewesen, eine Entdeckung. Irène Liechtis Ehemann, der die Schreinerarbeiten ausführte, profitierte nicht nur in der monetären Wertschöpfung, sondern konnte auch viel von der Architektin Nathalie Kury aus Delémont lernen.
Claudia Thommen erklärt den Nachhaltigkeitsgedanken hinter diesen architektonischen Entscheiden anhand eines neu eröffneten Hauses im Tessin. Im Dorfkern von Moghegno im Maggiatal befinden sich die beiden Häuser Casa Portico und Ca’ di Bifúi im Angebot der Stiftung Ferien im Baudenkmal. Als die Ca’ di Bifúi zum Verkauf stand, konnte die Stiftung einen Gönner für den Kauf und den Umbau finden, und in den nächsten Jahren wird das Haus der Stiftung überschrieben.
«Die architektonischen Eingriffe, die Ferien im Baudenkmal vornimmt, sind viel weniger tief als bei einem Umbau für ein dauerbewohntes Haus. Sei das bei der Dämmung, der Heizung, dem Komfort im Innenausbau, der Anzahl der Sanitärräume oder Fenster sowie der Fenstergrösse», sagt die Architektin. Auch strukturell wird so wenig wie möglich eingegriffen, was nicht nur das Budget, sondern auch die Tragstruktur und somit die beim Bau aufzubringenden CO2-Emissionen positiv beeinflusst. «Es geht darum, etwas brauchbar zu machen und in Wert zu setzen, das in der Dauermiete nicht mehr funktionierte», erklärt Claudia Thommen. «Die historischen Häuser sind oft dunkel, eng, gewisse Räume unbeheizt. Die Annehmlichkeiten, die im Alltag fehlen würden, werden jedoch in einer Ferienwohnung als charmant und gemütlich angesehen», so Thommen.

Sorge tragen
Ein weiterer Nachhaltigkeitsgedanke beim Umbau der Ferienhäuser besteht darin, die traditionellen Materialien, aus denen die historischen Häuser gebaut sind, zu übernehmen. «Vergleicht man die herkömmliche Lebensdauer von Bauteilen, geben wir ihnen ein viel längeres Leben und sparen somit CO2 ein», betont Claudia Thommen. Indem mit den Materialien weitergearbeitet wird, die vor Ort vorhanden sind, werden Ressourcen geschont, da die Transportwege kurz sind. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit örtlichen Handwerkern, die weniger weit anreisen müssen und das Wissen über lokale Bautraditionen haben.
Manchmal stösst man bei der Strategie jedoch an Grenzen, wenn es zum Beispiel um die Restaurierung alter Fenster geht, eine sehr spezialisierte Arbeit, die nicht immer vom örtlichen Schreiner ausgeführt werden kann. Doch: «Je weniger wir entfernen, desto weniger müssen wir erneuern», sagt Claudia Thommen. «Wir restaurieren Öfen oder Fenster, Geländer oder Dächer, eigentlich alle Bauteile, die man noch gebrauchen kann. Sogar Möbel werden wiederhergestellt, wenn wir welche im Haus vorfinden.»
«Vergleicht man die herkömmliche Lebensdauer von Bauteilen, geben wir ihnen ein viel längeres Leben und sparen somit CO2 ein.»
Es wird Sorge getragen zum Bauerbe, zur Umgebung und zu den Menschen, die mit einem Ferienhaus der Stiftung zu tun haben. Eine Seltenheit in der Immobilienbranche, aber ein Vorgehen mit Vorbildcharakter, das nicht nur den Baudenkmälern, sondern einer ganzen Region zu neuer Blüte verhilft – und vielleicht zu einer besseren ÖV-Anbindung im Berner Jura: «Wenn wir ein attraktives Umfeld bleiben wollen, müssen wir Dinge verändern, nicht nur für den Tourismus, sondern auch für das Dorf», erklärt Pasche. Das gilt auch für die Busfrequenz vom elf Kilometer entfernten Bahnhof Moutier nach Souboz. Bisher ist der Bus auf die Schulkinder ausgerichtet und nicht auf Feriengäste, sodass am Samstag, dem Anreisetag der Feriengäste, keine Verbindung besteht. Das möchte der Gemeindepräsident in Zukunft ändern.