
Mauern voller Geschichte 2/4 – Seit zwanzig Jahren verwandelt die Stiftung «Ferien im Baudenkmal» historische Gebäude in Ferienunterkünfte. Im Sommer besuchen wir drei Häuser, die Respekt vor der Vergangenheit und Nachhaltigkeit miteinander verbinden.
Oriane Grandjean – Terre&Nature
Es ist ein hohes Haus mit weiss getünchten Mauern und von Zeit und Sonne gezeichneten Balken. Es verfügt über gelbe Tuffsteinblöcke, die die Fenster und grossen Rundbogentüren umrahmen, sowie über Steinböden. In der Kapelle sind noch Szenen aus dem Neuen Testament an den Gewölben zu sehen. Das Dach ist mit Schindeln gedeckt und über ihm ragt der Glockenturm der nahe gelegenen Kirche hinaus. Der Blick schweift von dort zum gegenüberliegenden Hang, auf die Zunge des Fiescher Gletschers und die scharfe Spitze des Finsteraarhorns.
In den engen Gassen des Oberwalliser Dorfes Ernen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Zeiten, in denen dieses Dorf an der Kreuzung des Goms und des Binntals ein Ort der Macht war, sind längst vorbei. Heute leiten die Verkehrsachsen den Touristenstrom zu den Pässen Furka, Grimsel und Gotthard, und Ernen ist zur Ruhe gekommen.
In Vergessenheit geraten
Was bleibt, ist ein aussergewöhnliches architektonisches Erbe, das von Bränden verschont geblieben ist. Und ein Ferienhaus der besonderen Art. Seit 2023 können Urlauber, die auf der Suche nach Abwechslung sind, eine Woche lang in der Kaplanei übernachten, einem ehemaligen Pfarrhaus aus dem Jahr 1776, das von der Stiftung «Ferien im Baudenkmal» renoviert wurde. Auf vier Etagen zeigt es, wie sich Schätze der Vergangenheit und moderner Komfort miteinander vereinen lassen.
Die Kaplanei hatte über drei Jahrhunderte hinweg verschiedene Funktionen. Bis 1952 diente sie den Pfarrern von Ernen als Wohnhaus, dann geriet sie in Vergessenheit und wurde ein halbes Jahrhundert lang als Abstellraum genutzt. Im Jahr 2005 stufte der Walliser Staatsrat das Gebäude als Denkmal von lokaler und regionaler Bedeutung ein. Es dauerte noch weitere dreizehn Jahre, bis die Pfarrei es der Stiftung «Ferien im Baudenkmal» anvertraute, um es wiederzubeleben und einen weiteren Verfall zu verhindern.
Lokale Unternehmen am Ruder
Es wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, und das junge Büro Zenklusen Pfeiffer aus Brig erhielt den Zuschlag. Die Renovierung begann 2021 unter der Leitung von Diana Zenklusen, und die Arbeiten wurden von Unternehmen aus der Region durchgeführt. «Für alle Häuser, die wir renovieren, beauftragen wir lokale Architekten», erklärt Claudia Thommen, Architektin der Stiftung Ferien im Baudenkmal. «Sie kennen die Besonderheiten der lokalen Architektur besser als wir. Ganz zu schweigen von den Verwaltungsabläufen, die sich von Kanton zu Kanton unterscheiden. Das Gleiche gilt für die Unternehmen, die auf der Baustelle arbeiten. Wir bevorzugen immer Unternehmen aus der Region, auch, um die lokale Wertschöpfung zu fördern.»
Bei der Renovierung eines historischen Gebäudes wie der Kaplanei in Ernen ist es eine Herausforderung, das ursprüngliche Aussehen und die Materialien zu bewahren und gleichzeitig den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz und Komfort gerecht zu werden. Die grössten Eingriffe fanden im Musikzimmer im Erdgeschoss statt. „Wenn ein Raum im Laufe der Zeit verändert wurde, wie bei diesem Raum in der Kaplanei, nutzt man die Gelegenheit, um unverzichtbare moderne Elemente wie eine Heizungsanlage oder ein Badezimmer einzubauen”, erklärt Claudia Thommen. „Das haben wir hier getan: Dieser Raum wurde für Sanitäranlagen vorgesehen und mit einer Fussbodenheizung ausgestattet.” Er ist an das Fernwärmenetz der Gemeinde angeschlossen, aus Gründen der Energieeffizienz.
Heizen neu lernen
Wenn man jedoch Ferien in der Kaplanei verbringt, ist es nicht nur die Architektur, die einen in die Vergangenheit reisen lässt, sondern auch die Art der Beheizung. „Mit Ausnahme des Erdgeschosses wird das Haus ausschliesslich mit zwei Holzöfen beheizt“, bemerkt die Architektin. Das heisst, wenn Sie in der kalten Jahreszeit hier übernachten, müssen Sie lernen, mit der Innentemperatur umzugehen. Diese Erfahrung regt uns indirekt dazu an, unsere aktuellen Komfortstandards aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sogar auf bestimmte Räume muss verzichtet werden, zum Beispiel auf den Dachboden. Er wurde mit einem Bett ausgestattet, kann aufgrund der nur erneuerten und isolierten Bodenfläche jedoch nur in der warmen Jahreszeit genutzt werden.
Anstelle neuer Fenster entschied man sich für die Restaurierung der historischen Fenster: „Die Fenster verfügten bereits über eine Doppelverglasung“, erklärt Claudia Thommen. „Die Technik war sehr effizient.” Abgesehen von der grauen Energie, die durch die Anpassung statt durch Abriss und Neubau eingespart wurde, ist dies ein Beispiel dafür, dass das Know-how von einst mehr denn je gefragt ist.
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Stiftung «Ferien im Baudenkmal» präsentiert Terre&Nature eine vierteilige Serie zur Entdeckung symbolträchtiger Häuser.
Das Magazin Terre&Nature ist eine etablierte Wochenzeitschrift aus der Westschweiz. Es beschäftigt sich mit Themen rund um Landwirtschaft, Natur, Garten, Tiere, Freizeit, Regionalität und nachhaltige Entwicklung.



